Meine Reise nach Petrosavodsk, August/September 2016
Das Konzept hatten sich Lilia Künstle von der West-Ost-Gesellschaft Tübingen und Mascha Yufa, Direktorin der Städtischen Galerie Petrosavodsk, ausgedacht:
Je zwei Künstler aus Tübingen und Petrosavodsk – jeweils ein Maler und ein Grafiker – sollten gemeinsam zuerst in Petrosavodsk, im Folgejahr in Tübingen ausgestellt werden.
Eigentlich war mir vor der Fahrt zur Ausstellungseröffnung ein bisschen bange. Ebenso ging es den Tübinger Grafikern, die ich anwerben wollte: Petrosavodsk? Russland?
Flug nach St Petersburg, dann stundenlange Zugfahrt? Sind die Bilder versichert? Kommen sie heil zurück? Zwei Absagen hatte ich mir schon eingehandelt, als Marlene Neumann endlich zusagte, als Grafikerin an der Ausstellung teilzunehmen.
An der Reise allerdings nicht.
Völlig allein sollte ich also ins mir unbekannte Russland fahren! Heute kann ich über meine damaligen Befürchtungen nur lachen, denn die Reise war einfach traumhaft.
Die Organisation war vorbildlich: Visum, Zugfahrt, Wohnung, Bootsticket zur Insel Kischi, Ausflug zum Kiwatsch-Wasserfall, Gelegenheit zum Malen, Besuche im Karelischen Museum, im Künstleratelier Juntunen, in der Jugendkunstschule und sogar die anschließende Begleitung und Hotelbuchung in St Petersburg – alles war von Lilia Künstle und Mark Kirsanow schon perfekt durchgeplant.
In der Städtischen Galerie hatten Mascha Yufa und ihr tüchtiges Team die Bilder bereits fertig gerahmt. Begeistert war ich von den russischen Künstlerinnen und ihren Werken.
Olga Juntunens Radierungen mit zarten, stillen Dorfansichten und Xenia Trofimovas betörend schöne, stimmungsvolle Aquarelle mit Naturlandschaften beeindruckten mich sehr. Mit ihnen ausstellen zu dürfen, war wirklich eine große Ehre. Unvergesslich war auch der Nachmittag, zu dem ich mit Xenia, Lilia, und Mark in Olgas Datscha bei Kiwatsch eingeladen war.
Bei der Vernissage war die große, helle Ausstellungshalle prall gefüllt mit Besuchern, Presse und Honoratioren.
Jede Rede, jedes Interview wurde eigens für mich von Mark Kirsanow übersetzt.
Tatjana Kirsanowas Oberstufenschüler interviewten mich sogar auf Deutsch.
Wir wurden überhäuft mit freundlichen Worten, Blumen und sehr schönen Buchgeschenken.
Von links: G. Rachova, L. Künstle, J. Cycon-Vorwerk, T. Kirsanova und Mark Kirsanov.
An die wunderbaren Tage in Petrosavodsk werde ich mich noch lange gern erinnern. Ich habe dort nur sehr liebenswürdige, aufgeschlossene und hilfsbereite Menschen kennengelernt.
Ich erlebte die Stadt am 1. September, dem Tag des Vorlesungs- und Schulbeginns, an dem die Straßen wimmeln von kleinen Mädchen mit großen weißen Schleifen und aufgeregten Müttern.
Auf mich wirkte Petrosavodsk hell und lebendig. Nicht viel blieb im Krieg von der Innenstadt erhalten, deshalb sind viele schöne klassizistische Gebäude neu rekonstruiert.
Es gibt viele Baustellen und in der Nähe „meiner“ Wohnung wurden sogar dicke Fernwärmeröhren verlegt. Von den 6- bis 8stöckigen Wohnhäusern in den Außenbezirken dieser Großstadt habe ich nur wenig gesehen, aber das Wenige erschien mir sauber und freundlich zu sein.
Ich habe mich in dieser Stadt sehr wohlgefühlt und ich hoffe sie noch öfter zu sehen.
Jutta CyconVorwerk